
Das Thema bedürfnisorientierte Erziehung hat mich schon lange beschäftigt. Ich muss zugeben, dass dieses Thema für mich eine persönliche Triggerwarnung gebraucht hätte.
Es regten sich und regen sich auch immer noch von Zeit zu Zeit, tiefe Glaubenssätze und Konditionierungen aus meiner eigenen Kindheit. Wer kennt es nicht „Ich werde nie so wie meine Eltern!“? Und dann ist man auf einmal selbst Mama oder Papa und sieht sich schneller als einem lieb ist, mit Erziehungsfragen und Erziehungsstilen konfrontiert.
Die gängigsten Herangehensweisen bei Konflikten innerhalb der Familie sind, um Rat fragen bei den eigenen Eltern, Tipps und Austausch mit Freunden und Gleichgesinnten suchen und lesen von Ratgebern. Ich habe mich dabei gefragt, gibt es nicht einen mütterlichen oder väterlichen Instinkt oder natürliches Bauchgefühl, der oder das mich in meiner Elternrolle leitet? Ich habe begonnen tief in mich hineinzuspüren, was fühlt sich gerade richtig an, für mich und für meine Kinder. Die unzähligen Tipps und Tools aus Ratgebern und dem sozialen Umfeld haben mich eher verwirrt, anstatt Sicherheit zu geben. Es fühlt sich vieles so widersprüchlich und nicht passend an. Hier hätte ich meiner inneren Stimme den Sound abdrehen können und den Meinungen anderer vertrauen können, ja. Das habe ich aber nicht getan. Als Mama habe ich mir eigentlich sogar zum ersten Mal in meinem Leben erlaubt, auf mein Gefühl zu hören, Grenzen zu setzen im Außen, um mehr bei mir sein zu können.
Warum aber denn nun Triggerwarnung? Grundsätzlich gilt für mich, und vielleicht auch für den einen oder anderen, je entspannter und selbstbestimmter ich lebe, umso leichter gelingt es mir mit Stress und unterschiedlichen Bedürfnissen wohlwollend umzugehen. Lösungen sind leichter zu finden. Nur leider stimmen im Alltag die Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder nur selten überein. Dieses riesige Konfliktpotenzial fällt auf einen wundervollen Nährboden, wenn wir den wichtigen Kontakt zu uns selbst verloren haben.
In meiner Kindheit war es oft überlebensnotwendig mich anzupassen, leise zu sein und mich zu verbiegen. Diese Erfahrungen führten zu tiefen Konditionierungen und Glaubenssätzen, welche heute meine persönlichen Trigger in Stresssituationen mit meinen Kindern sind. Das bedeutet, dass meine Reaktionen oft bestimmt sind von alten Ängsten, die reaktiviert werden. Ich fechte also Kämpfe mit meinen Kindern aus, die außerhalb ihrer Verantwortung liegen. Ich allein, bin verantwortlich für mein Wohlergehen.
Ich war mir lange unsicher, wie bedürfnisorientierte Erziehung funktionieren soll. Gibt es keine Grenzen mehr? Gibt es keine Konsequenzen? Wer hat das Recht Regeln aufzustellen und wer nicht? Heißt fehlende Konsequenz ständiges Ja sagen? Wie passt das nun zum Thema Bedürfnisse? Dazu möchte ich eine kleine Geschichte von heute morgen teilen, die ich mit meinem 3jährigen Sohn erlebte.
Mein kleinster Sohn, der gerade so sicher Fahrrad fahren kann wie, „ich schaffe 10 Meter unfallfrei geradeaus.“, wollte unbedingt unseren 20minütigen Kitaweg durch den Stadtverkehr auf seinem Fahrrad meistern. Meine Reaktion war Ablehnung inkl. einer Aneinanderreihung von Gründen, wieso dieses auf gar keinen Fall gehen kann. Angefangen von zu gefährlich, über es dauert zu lange bis hin zu, du bist zu klein. Seine Reaktion war Trotz, Wut und Aggressionen, weil er sich in seinen Bedürfnissen nicht gesehen gefühlt hat. Ich habe mich aber auch nicht gesehen gefühlt in meinen Ängsten, meiner Verantwortung und meiner erwachsenen Allwissenheit! Bedürfnisse haben oft etwas mit unseren Ängsten und tiefen Glaubenssätzen zu tun. Da dürfen wir hinschauen und uns hinterfragen, woher kommt dieses Bedürfnis und wie möchte ich damit umgehen.
Mir ist es gelungen,
In der Kita heil angekommen, gab es dann von der Erzieherin eine fast schon zu erwartende Antwort: „Na, dann hat er ja seinen Willen bekommen.“
Was steckt dahinter? Es könnten Glaubenssätze sein wie, „Konsequenz ist wichtig in der Erziehung“, „Ohne Konsequenzen lernt ein Kind keine Regeltreue“, „ein Kind wird gierig und lernt keine Bescheidenheit, wenn es immer seinen Willen bekommt“.
Aber worum geht es bei der Erfüllung von Bedürfnissen? Ist es nicht auch möglich bedürfnisorientiert zu handeln, ohne dass es den Charakter verdirbt? Letztendlich war das Bedürfnis, welches hinter dem Fahrrad fahren stand, Selbstständigkeit und persönliches Wachstum. Dieses wollen wir doch in der Erziehung fördern. Selbstverständlich in einem geschützten und sicheren Rahmen. Aber das sehe ich als meinen Auftrag, einen Rahmen zu schaffen, in dem Selbständigkeit und Wachstum möglich ist. Wir haben es geschafft unsere Bedürfnisse klar zu kommunizieren und die Grenzen vom anderen zu wahren.
Wir leben hier keine Elterndiktatur, sondern das Mitbestimmungsrecht. Und natürlich gibt es Dinge, die nur Mama und Papa entscheiden, weil es eben immer noch eine Verantwortungsrolle gibt, die nicht abgegeben werden kann.
Heute sind wir gewachsen. Jeder für sich und wir beide enger zusammen. Bedürfnisorientierte Erziehung bekommt von mir ein klares Hell Yes!